Gemeinderatswahlen:
Die religiösen oder der Finanz- und Konzernwirtschaft zuzuschreibenden Parteien haben in den Gemeinderatswahlen einen leichten Zuwachs zu verzeichnen. “Die Mitte“ (ehemals die traditionell katholische CVP) vermochte in Wahlkreisen die 5-%-Hürde zu knacken. Die religiös-sozial ausgerichtete Alternative Liste (AL) verliert 2 Sitze, die EVP verliert einen Sitz (vergangene Legislatur in Allianz mit der BDP). Die der „Lobby“-Politik zuzurechnende FDP wächst im Gegenzug um einen Sitz.
Diese Zugewinne gehen auf Kosten der SP und der SVP, in ersterer sich seit dem Amtsantritt des vormaligen Stadtparteipräsidenten auch verstärkt eine religiös-soziale Tendenz beobachten lässt.
Über Zugewinne dürfen sich die Grünen und die Grünliberalen freuen.
Das inszenierte Debakel der SP und AL um das verbilligte VBZ-Abo hat mutmasslich die Wähler*innen mitbeinflusst. Ein solches Vorhaben hätte finanziellen Mehraufwand mit sich gebracht und das Budget sah keine Mehreinnahmen dafür vor. Die SP hat mit einem Manöver über die Lancierung dieses Themas eine Chance genutzt, Einkommensschwache auf ihre Seite zu ziehen, im Wissen, dass dieses Vorhaben zum Scheitern verurteilt sein wird. Das auf kurz vor den Wahlen angesetzte Datum der Abstimmung konnte für die anderen Parteien als Profilierungsaktion der SP angesehen werden. Die AL und einige Grünen-Politiker*innen brachten das Vorhaben dann auch zu Fall. Ein Schaden, der sich nun im Wahlverhalten widerspiegeln könnte.
Stadtratswahlen:
Die AL konnte trotz intensiv geführter Kampagne ihren Sitz knapp nicht halten. Walter Angst betreibt eine Politik, die Konservativen ebenso in die Hände spielt (vgl. Porträt im TA vom 10. Januar 2022). Zudem ist seine Haltung und jene der Alternativen Liste in Bezug auf die Minderheitenpolitik, insbesondere bezogen auf Rechte von sexuellen Minderheiten, nicht sehr klärend. Die Partei suchte kurz vor der Abstimmung „Ehe für alle“ nach Homosexuellen für eine Kampagne oder Arbeitsgruppe zum Thema, was für eine „linke“ Partei dieser Stärke mich erstaunen liess.
Für die Grünen hat Dominik Waser sein Ziel nicht erreichen können; er hat mit dem Anspruch der Jungwählerschaft wie erwartet aber gut mobilisieren können. Mit einem Comeback ist zu rechnen.
Souverän wurde stattdessen Simone Brander von der SP in den Stadtrat gewählt. Es wird sich zeigen, in welchen weiteren Gebieten sich die erklärte Velo-Politikerin, Ausschmückerin der Pride und als präsentierte SP-Liebling der NZZ profilieren wird. Insbesondere würde ich mich freuen, wenn sie offene Karten auf den Tisch legt und ersichtlich wird, ob sie eine konfessionsbetonte Politik vertritt oder eine säkular-unabhängige, diskriminierungsfreie Politik auch gegenüber links der SP Stehenden verfolgt.
Die SP ist spürbar konservativer geworden. Insbesondere die im Grundsatz der SP enthaltene Phrase einer „Überwindung des Kapitalismus’“ ist in ihrer wirtschaftspolitischen Ausrichtung nicht mehr erkennbar. Business-City mit Stadion-Tower lassen gewichtige Exponenten der Partei von einer Stadtplanung mit Gigantismus-Projekten schwärmen. Insbesondere mit der in fundamentalreligiösem Geldverschwindibusskandal verstrickten CS (Archegos-Debakel) wurde ein Exempel statuiert, das nun nach weiteren solchen Taten ruft. Die dafür prädestinierten Quartiere werden an Lebensqualität verlieren; es gilt, dafür mehr als Ausgleich zu schaffen.
Die intensive Beflaggung von SP-Sympathisant*innen mit Fahnen „Endlich mehr bezahlbare Wohnungen“ scheint eher peinlich. Die SP führt schon lange Zeit eine „linke“ Mehrheit an, hat dieses in diesem Wirtschaftssystem unlösbare Problem bisher nur unbedeutend angepackt. In diesem Punkt gebe ich der Folgerung von Walter Angst Recht: „Es ist leider nicht möglich, dass alle eine preisgünstige Wohnung erhalten. Verhindern müssen wir, dass Menschen aus der Stadt vertrieben werden.“ Der Platzmangel in der Schweiz ruft nach einem „System Change“, der jedoch aufgrund der finanziellen Bindungen der Kirchen mit der Profitwirtschaft wie auch ihr nicht unbedeutender Einfluss im Mieter*innenverband und der Förderung derer Freund*innen in der Politik nicht erhört werden wird.
Dass Themen der Arbeiterschaft, der Geringverdienenden, der Diskriminierung politisch links der SP stehenden Kräfte nicht mehr seriös und überzeugend von dieser Partei bewirtschaftet werden, werte ich als einen Faktor für ihre Sitzverluste.
Erlöst jubelte die FDP nach dem Resultateingang aus dem letzten Kreis. Es war eine Zitterpartie, die sie schlussendlich mit der Sicherung ihrer zwei Sitze gewann. Da die Zürcher SP selbst gut mit Praktiken des "Lobbyismus" umzugehen weiss und das Klumpenrisiko der Steuereinnahmen aus dem Finanz- und Versicherungssektor mit Gegengeschäften in eine befangende Abhängigkeit führt, benötigt die FDP nicht mehr Macht im Stadtrat.
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